Rückkehr nach Rottendorf

Was die Aufarbeitung des Nationalsozialismus mit unserer eigenen Lebensgeschichte zu tun hat

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Wir alle sind doch mit diesen Sätzen von Richard von Weizsäcker und Primo Levi aufgewachsen, die uns auftragen, uns mit den Schrecken der NS-Zeit auseinanderzusetzen, damit sie sich nicht wiederholen. Wie aber verträgt sich diese Überzeugung mit der Lebensrealität eines ganz normalen Dorfes?

In diesem Podcast teile ich meine Beobachtungen und Ideen aus vielen Jahren historischer Aufarbeitung der NS-Zeit - und meine Erfahrungen als Kind von Rottendorf.

Wir freuen uns auf Ihre Reaktionen und Anregungen auf den einzelnen Folgen und den Podcast. Schicken Sie uns gerne was Sie denken an rottendorf@ctangerding.com

Episodes

Monday Oct 02, 2023

Als Kind musste ich „Die letzten Kinder von Schewenborn" lesen und mochte es nicht. Es produzierte Angstbilder bei uns Kindern, und dagegen regte sich Widerstand in mir. Die Debatte über die AfD erinnert mich an den Roman von Gudrun Pausewang: Die Protagonisten in dem Buch stehen daneben und können nichts tun, als die Katastrophe passiert. Doch so muss es nicht sein. Wann überwinden wir unsere Ängste und kommen ins Handeln?

Wednesday Sep 13, 2023

Ein Fall aus meinem eigenem Bekanntenkreis hat mir als Jugendlicher schlagartig bewusst gemacht, was passiert, wenn jemand den Hitlergruß zeigt oder das Hakenkreuz verwendet und dabei erwischt wird. Heute mache ich selbst Bildungsarbeit und glaube, die wenigsten dieser jungen Täter haben eine rechte Gesinnung. Daher ist es falsch, sie auszugrenzen. Wir müssen sie zurückholen!

Tuesday Aug 01, 2023

Als Kind in Würzburg und Umgebung wusste man, dass alle Geschäfte mit einem U und einem L im Namen zum Universellen Leben gehörten, einer gefährlichen Sekte. In Rottendorf war der Sektenbeauftragte der evangelischen Kirche Pfarrer, also wussten wir Rottendorfer Kinder besonders gut über die Gefahren dieser Sekte Bescheid. Erst durch einen Konflikt vor zehn Jahren ist mir aufgefallen, dass es mit den Anhängern des UL nie einen direkte Auseinandersetzung gab. 

Tuesday Jul 11, 2023

Mit den Freunden aus Würzburg, die wolhhabende Eltern hatten, konnte ich als Jugendlicher Abende lang über Politik diskutieren. Die Kinder mussten keine Nebenjobs machen. Das war bei vielen Klassenkameraden vom Land nicht der Fall. Denn die mussten arbeiten, entweder im Betrieb der Eltern oder bei McDonald's. Während wir am Wochenende was erlebt haben, haben die am Montagmorgen oft nur einen Satz gesagt: „Hab' gearbeitet." Ich habe gelernt: Geld verdienen ist oberflächlich. Wer über Einkommen, Ausgaben, Kosten spricht, muss ein Langweiler sein. Richtig gebildete Menschen sorgen sich um gesellschaftlichen Zusammenhalt und um soziale Ungleichheit.

Saturday Jul 01, 2023

Vor einigen Tagen stimmte das EU-Parlament über die Frage ab, ob das Parlament sich zum Fall Julian Assange äußern sollte. Eine große Mehrheit stimmte gegen den Antrag. Auch von den deutschen SPD- und Grünen-Abgeordneten votierte nur eine Minderheit dafür. Dabei hatten insbesondere die Grünen im Wahlkampf immer wieder gefordert, Julian Assange freizulassen. Wie kommt so etwas? Ganz einfach: Die Loyalitäten verschieben sich. Bis zum Wahlsieg waren die Spitzenkandidat*innen ihrer Partei gegenüber loyal, nun müssen sie Loyalität gegenüber anderen Staatschefs aufbringen. Wir als Bürger*innen dürfen darüber aufgebracht sein. 

Thursday Jun 22, 2023

In politischen Talkshows dominieren Parteipolitiker*innen die Bühne. Ihre Redebeiträge zeichnen sich oft aus durch destruktive Sprechweisen: Meistens wollen sie die politischen Gegner dominieren oder auf Angriffe der Anderen reagieren. Aus eigenen Konflikten weiß ich: Wenn jemand dominant oder angegriffen auftritt, ist eine Einigung kaum möglich. Warum setzen wir uns dem ständig aus? Es gibt so viele Menschen - vom Feuerwehrmann bis zur Unternehmer*in - von denen wir uns konstruktives Streitverhalten abschauen könnten.

Monday Jun 12, 2023

Jeder Verein auf dem Dorf tut etwas für die Benachteiligten unserer Gesellschaft. Die Kirchengemeinde verkauft Kuchen, die Messdiener sammeln Geld. Ich selbst habe Adventskränze für Bangladesh gebastelt - aus ein paar Zweigen und sehr viel Draht. Das, was die LGBTQ-Gemeinschaft und ihre Unterstützer*innen von der Gesellschaft erwarten, passt nicht zum Erfahrungsraum vieler Menschen auf dem Land. Denn sie wollen keine Hilfe, sie wollen gesehen werden. Die Debatte um das Gendern und den „Pride Month" offenbart zwei unterschiedliche Konzepte von Unterstützung: Hilfe und Sichtbarkeit. 

Monday May 29, 2023

Die Genderdebatte ist auf dem Land angekommen. Viele Menschen empfinden das Gendern als unnötig. Es fühlt sich für die Mehrheit der Menschen nicht an als würden sie bisher übersehene Menschen beachten oder unterstützen. Es fühlt sich wie eine Pflicht und eine neue Regel an. Diese Erfahrung sollten wir anerkennen und sie nicht einfach als bigott oder ignorant abtun. Die Frage ist doch: Wie schaffen wir es, dass wir Transpersonen die nötige Anerkennung schenken, ohne dass sich ein Großteil der Gesellschaft genervt abwendet? 
 
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Episode 37:Täter und Opfer

Thursday May 11, 2023

Thursday May 11, 2023

Wir wollen, dass unsere Kinder und Schüler*innen sich mit den Schwachen identifizieren. Wir wollen, dass sie verstehen, wie Ausgrenzung sich anfühlt. Aber unsere Kinder und Schüler*innen sind vor allem damit beschäftigt, stark sein zu wollen. Und natürlich grenzen sie einander aus, jeden Tag. Das haben auch wir früher getan. Wie wäre es, wenn wir sie mal bewusst all die schlimmen Dinge tun und sagen ließen, die wir als Eltern und Lehrkräfte eigentlich nicht hören und sehen wollen?
 
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Wednesday Apr 26, 2023

Wenn ich mich und andere Eltern so beobachte, merke ich: Wir sind ganz schön angstgetrieben. Warum müssen wir so überaufmerksam sein? Weshalb kommunizieren wir so oft mit dieser antrainierten Ruhe? Wieso zeigen wir unseren Kindern so selten unsere unmittelbaren Gefühle? Wahrscheinlich, weil wir fürchten, unsere Kinder würden sich so einsam und verlassen fühlen wie wir uns in unserer eigenen Kindheit gefühlt haben. 
 
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